Wo ist Gott, wenn ich leide?

Monika Graser
LL

In die Sklaverei verkauft und zu Unrecht bestraft

Hemmungslos weinte der Siebzehnjährige seinem Zuhause nach, hatte er doch ein inniges Verhältnis zu seinem Vater gehabt. Seine Mutter kannte er leider kaum, da sie so früh verstorben war, aber sein Vater schenkte ihm viel Liebe. Mit seinen Brüdern hatte er es auch gut gemeint, doch war er von ihnen missverstanden worden. Nun hatten sie ihn sogar verkauft und er sollte seinen Vater – so sah es zumindest menschlich gesehen aus – nie wieder sehen!

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Was für ein Schmerz! Hatte Gott ihn vergessen? Sollten das Seine Wege sein – die Wege dessen, von dem ihm sein Vater nur Gutes erzählt hatte? Sollte er wirklich unter einem götzendienerischen Volk leben? Welche Gedanken mögen Josef beschäftigt haben, als er auf dem Weg in die Sklaverei nach Ägypten so bitterlich weinte?

Wo war eigentlich Gott,

als er verkauft wurde? Hätte er diese Grausamkeit nicht verhindern können? Sollten seine gemeinen Brüder die Erlaubnis von Gott bekommen haben, ihn als den Unschuldigen zu verkaufen?

Tatsächlich hatte Gott das zugelassen, aber hat er ihn auch verlassen?

In 1. Mose 39,2 steht:

„… Und der HERR war mit Josef, so dass er ein Mann wurde, dem alles glückte. …“

Wo war also Gott, als er nach Ägypten verkauft worden war?

Er war direkt bei ihm! Er wachte über ihm und schenkte ihm Gelingen.

Herrlich aber auch, wie Josef die Liebe Gottes erwiderte. Er weigerte sich, der Versuchung der Frau Potifars nachzugeben, wohlwissend, dass diese Weigerung ihm den Kopf kosten könnte (Vers 9).

Lieber wollte er sterben, als Gott untreu zu werden. Nun, er durfte zwar am Leben bleiben, doch landete er im Gefängnis. Was mag jetzt in Josef vorgegangen sein? Hat er sich vielleicht gefragt: Ist das mein Lohn dafür, dass ich Gott treu geblieben bin? Was für einen Sinn hat es überhaupt, Gott nachzufolgen? In der frühesten Kindheit als Halbweise zurückgeblieben, von den Brüdern missverstanden, von ihnen sogar verkauft und nun von seiner Herrin falsch beschuldigt. Unglaublich! Doch nirgends lesen wir, dass er mit Gott gehadert hätte. Offensichtlich führte er auch weiterhin ein gottesfürchtiges Leben und Gott half ihm:

„Aber der HERR war mit ihm und neigte die Herzen zu ihm und ließ ihn Gnade finden vor dem Amtmann (Gefängnisverwalter) über das Gefängnis.“

(Vers 21)

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Wo war also Gott, als Josef zu Unrecht ins Gefängnis geworfen worden war?

Natürlich direkt bei ihm! Er ließ ihn nicht allein. Er war mit ihm im Gefängnis, gab ihm Kraft, trotz aller Ungerechtigkeit vorbildlich zu leben. Ja, Gott beeinflusste den Gefängnisverwalter sogar zu Josefs Gunsten (Vers 23) und Josef wurde sozusagen der Seelsorger der Gefangenen, denn er besuchte die Gefangenen und hatte eine Antwort für den besorgten Bäcker und den geplagten Mundschenk. Zufall?

Wie wir im weiteren Verlauf des Kapitels erfahren, traf genau die Traumdeutung ein, die er ihnen durch Gottes Gnade hatte verkündigen können.

Wo war also Gott, als Josef im Gefängnis saß?

Natürlich bei Josef! Wirklich? Vergaß denn nicht der Mundschenk Josef, als er aus dem Gefängnis entlassen worden war, um dem Pharao wieder zu dienen?

Was mag nun in Josef vorgegangen sein? Verkauft, verleumdet, unschuldig bestraft, vergessen. Vergessen nicht nur für zwei Tage, zwei Wochen, zwei Monate – nein, zwei Jahre (1. Mose 41,1)! Josef war wohl zu dem Schluss gekommen, dass er den Rest seines Lebens im Gefängnis verbringen müsse.

Doch offensichtlich hatte Gott den Mundschenk Josef vergessen lassen, denn Gottes Plan war, ihn zur rechten Zeit zu erhöhen. Gott hatte Josef keinen Augenblick aus den Augen verloren – Josef unseren himmlischen Vater aber auch nicht. Ja, keinerlei Leiden konnte ihn von Gott trennen!

Meine eigene Geschichte

Wie viel sollte auch ich zwischen dem 20. April und dem 29. Mai 2025 erleben – in gerade mal einem guten Monat. Zweieinhalb Jahre Leid durch meine Krebserkrankung hatte ich schon hinter mir – Link zum Zeugnis – und es sollte noch weitergehen.

Am 20. April befand ich mich also wegen großer Rückenschmerzen als Notfall in einer orthopädischen Praxis. Nachdem das Röntgenbild nicht die nötige Klarheit brachte und ein pelziges Gefühl hinzukam, wurde ich von der Klinik stationär aufgenommen. Ein MRT und CT zeigte, dass der Tumor das Kreuzbein durchbrochen hatte.

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So sah die Klinik keine Veranlassung zu einer OP und ich landete am 24. April 2025 auf der Palliativstation, bis zu Hause die entsprechenden Pflegemöglichkeiten geschaffen worden wären. Während dieser ganzen Zeit kam ich nicht mehr aus dem Bett. Leider konnte ich ja nicht einmal mehr sitzen.

Wo war Gott in dieser Zeit?

Er war neben mir und schenkte mir Menschen, denen ich von ihm erzählen konnte. Das hat mich ermutigt. Doch das Schönste war und ist, dass er mich immer wieder an meinen wunderschönen Ausblick erinnerte – ich darf mich jeden Tag auf meine eigentliche Heimat freuen! Was für ein Geschenk! So kann auch ich sagen, dass Gott in dieser schwierigen Zeit neben mir war und ist. Auch erfreuen mich immer wieder Besuche, Blumen, Karten oder gemalte Bilder von den Kindern. Das ist auch kein Zufall, sondern ein Geschenk des Himmels.

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Einige Tage nach meiner Entlassung aus der Palliativstation am 8. Mai merkte ich, dass es mir am Rücken besser ging, und so stand ich nach wenigen Tagen in der Nacht das erste Mal allein auf, da ich meinen Mann nicht stören wollte. Dabei stürzte ich so heftig, dass ich mir das Handgelenk brach sowie den Oberschenkelhals in Mitleidenschaft zog, sodass dieser am darauffolgenden Nachmittag bei einer kleinen Bewegung durchbrach. Nachdem unglaubliche Schmerzen einsetzten, wurde ich noch in der Nacht in der Chirurgie notoperiert.

Wo war aber Gott?

Hatte er mich vergessen? Warum hatte er das zugelassen? Nun, vieles können wir uns nicht erklären, aber dieser Umstand lässt uns staunend verstehen, dass Gott das zugelassen hatte, um mich wieder auf die Beine zu stellen. Ich bekam ein neues Hüftgelenk und das Kreuzbein hatte sich inzwischen auch wieder stabilisiert. Ich kann jetzt sogar wieder gehen, sitzen und stehen, was ich vorher alles nicht mehr konnte. Ein Wunder für alle, die das mitbekamen.

Ja, Gott ließ es zu, dass ich ins „Gefängnis“ der Unbeweglichkeit kam, aber er half mir wieder auf. Ich weiß nicht, wie mein Weg zu Ende gehen wird, denn der Tumor breitet sich weiter aus.

„Aber ich weiß, dass mein Erlöser lebt … Und ist meine Haut noch so zerschlagen und mein Fleisch dahingeschwunden, so werde ich doch Gott sehen. Ich selbst werde ihn sehen, meine Augen werden ihn schauen und kein Fremder. Danach sehnt sich mein Herz in meiner Brust.“ Hiob 19,25a.26.27

Gib niemals auf!

Nun, ich weiß nicht, wie dein „Gefängnis“ aussieht – Geldnöte, Scheidung, Einsamkeit, Ehelosigkeit, Mobbing, Verlust eines lieben Menschen, Missbrauch oder Verlust des Arbeitsplatzes. Gib niemals auf!

„Denn unsre Trübsal, die zeitlich und leicht ist, schafft eine ewige und über alle Maßen gewichtige Herrlichkeit, uns, die wir nicht sehen auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare. Denn was sichtbar ist, das ist zeitlich; was aber unsichtbar ist, das ist ewig.“ 2 Korinther 4,17.18

Der leidgeprüfte Paulus schreibt in Römer 8,18: „Denn ich bin überzeugt, dass dieser Zeit Leiden nicht ins Gewicht fallen gegenüber der Herrlichkeit, die an uns offenbart werden soll.“

Nicht jede Prüfung endet wie die von Josef. Wie wir wissen, wurde Josef zum Ersten nach dem Pharao, zum Landesvater ernannt – siehe 1. Mose 41,43.

Doch wie sollte z. B. das junge Leben von Johannes dem Täufer enden? Er starb wie viele andere Helden als Märtyrer.

Aber halt! War er dadurch benachteiligt? Weniger beschenkt als z. B. Josef? Nicht, wenn man seine Situation im Lichte der Ewigkeit betrachtet. Satan hatte zwar sein junges Leben beendet, aber er hatte ihn nicht auf seine Seite ziehen können. Nach seinem Tode war er auch nicht mehr angreifbar für Verführungen. Als Sieger war er gestorben, weil Gott bei ihm gewesen war, und somit wird er bei der ersten Auferstehung dabei sein! Er wird genauso privilegiert sein wie Josef.

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Ist das ewige Leben nicht viel kostbarer als alles, was dir diese Welt bieten kann? Egal welche Probleme du also zu bewältigen hast, frage nicht:

„Wo ist Gott?“

, sondern

wisse: Gott ist bei dir!

Er leidet mit dir und möchte dir helfen, als Sieger aus all deinen Prüfungen hervorzugehen! Das sollte unser innigstes Verlangen sein! Denn dann können wir uns auf eine Ewigkeit mit ihm freuen, wo es keine Sünde mehr gibt und dadurch auch keinerlei Leiden!

Petrus schreibt in 1. Petrus 1,6.7:

„Dann werdet ihr euch freuen, die ihr jetzt eine kleine Zeit, wenn es sein soll, traurig seid in mancherlei Anfechtungen, damit euer Glaube als echt und viel kostbarer befunden werde als das vergängliche Gold, das durchs Feuer geläutert wird, zu Lob, Preis und Ehre, wenn offenbart wird Jesus Christus.“

Mögen wir in allen Situationen unserem wunderbaren Gott die Ehre geben und dann eine Ewigkeit mit ihm in Freude, Gerechtigkeit, Gesundheit und Frieden, ja in einer vollkommenen Welt verbringen.